Das Geheimnis

Auszug aus der Kurzgeschichte

introspektiv #3 – Natürliches

Urkan sammelte Steine. Eigentlich sammelte er alles, wenn es denn Bilder in sich trug und hart und dauerhaft genug war, um in seiner Galerie in der Felsnische die Jahreszeiten überdauern zu können. Der junge Jäger sah in allem Möglichen Bilder von Vögeln, Pferden oder Mammuts und erkannte in Hölzern und Steinen Frauen und Männer.
Die Jäger seines Stammes stichelten gutmütig:„Und, Urkan, hast du heut wieder ein Steinmammut erlegt?“
Und die Frauen lachten und fragten kokett:
„Na, Urkan, hast du mich heut gesehen, im Widderhorn, etwa so…?“ und wandten ihm ihre schlanken oder üppigen Körper auffordernd zu.
Niemand meinte es böse, aber man tuschelte; denn seltsam, sonderlich, ja fast erschreckend war es schon: Keiner aus dem Stamm sah etwas in den Wurzeln und Kieseln und all den anderen Fundstücken, die Urkans Höhle schmückten – bis er mit Holzkohle oder Rötel die für sie unsichtbaren Linien nachmalte und Erhebungen und Vertiefungen einfärbte. Dann, mit einem Mal, erkannten sie es alle: Das mächtige Mammut im Flusskiesel, das Gesicht in der Wurzel, das Auge in der Rinde. …

veröffentlicht in:
Literaturmagazin introspektiv, Ausgabe #3 – Natürliches
Hrsg.: Sabine Gelsing & Julia Hoch
Literaturverlag Gelsing & Hoch, Dezember 2021
ISBN-10: 3985952965
ISBN-13:‎ 978-3985952960

Lesermeinung von Uschmi auf Amazon:
Hier findet sicher jeder etwas, das ihn überzeugt. Erschütterndes wie „Trügerisches Idyll“ von Iliana Karagialani. Bezauberndes wie „Zwei Gärten“ von Martina Lenz. Archaisches wie „Das Geheimnis“ von Johann Seidl. …. Es macht Spaß, das zu lesen.

Natur umgibt uns, formt und fordert uns. Freundin und Feindin. Natur sind wir. Gewachsen und geworden. Angeboren. Ungezwungen.
Der Mensch, wie er sich gibt, wie er sich sieht: über, neben, in und mit der Natur. Oder gänzlich gegen sie? Natürliches vs. Künstliches.
Wie bezwingen und kontrollieren Menschen die Natur? Durch Kultur?
An- und Aussichten zur Klimakrise. Ereignisse und Erscheinungen, Katastrophen.
Neben den 17 Kurzgeschichten finden sich in dieser Ausgabe 15 ausgewählte #introspektivminiaturen, die durch die montäglichen Schreibimpulse auf Instagram entstanden sind.
Des Weiteren freuen wir uns über ein interessantes Interview mit der Autorin und Nature-Writing-Expertin Anja Liedtke. Daniela Esch steuert wieder einen sehr lesenswerten Artikel zum Thema „Autor:innenstimme“ bei.
Abgerundet wird das Magazin durch zwei Buchrezensionen von Ina Bhatter und Petra Reich.

Lyrik und Prosa Anthologie

veröffentlicht in:
Literaturmagazin Haller, Ausgabe 16 – Wahre Kunst
Hrsg.: Corina Criesbach
Literaturverlag p.machinery, Februar 2019
ISBN-10: 3985952965
ISBN-13:‎ 978-3985952960

    • erhältlich im Buchhandel,
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Es gibt zwei Möglichkeiten, sich der Kunst zu stellen: wegwerfen oder sammeln. Abreißen oder bewahren. So ist die Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ durch eindeutige Statements von Reinigungspersonal, durch gut gemeinte Restaurierungsversuche an christlich geprägter und ägyptischer Kunst tatkräftig beantwortet worden und wird heute oft ganz praktisch anhand von Architektur, mit und in der wir leben (müssen), beantwortet.
Seelisch erschlagen von den Betonriesen der 60er- und 70er-Jahre sehnen einige deren Abriss herbei, andere begeistert der Zeitgeist dieser Gebäude.
Unsere Autoren beschäftigen im Rahmen der ewigen Frage nach wahrer Kunst die Themen „Musik“, „das Bildermachen“, „Literatur“, „Körperkunst“, „Betrachtung von Kunst“ und „Vernissageerlebnisse“, „Preisverleihungen“, „Biografisches“, und auch das Genre Science-Fiction ist zum Thema „Wahre Kunst“ vertreten.

 

Veröffentlicht von

Johann Seidl

my artwork - Texte und Bilder

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